Das Preußische Hauptgestüt Neustadt an der Dosse führte 1788 den Vollblüter „Alfred“ und Graf Plessen – Ivenack 1816 den Hengst „Young Dick Andrew“ ein.
Dieser stand von 1825 – 1827 im Landgestüt Celle.
Obwohl der Großgrundbesitzer „Baron Gottlieb von Biel“ und dessen Bruder Wilhelm erst ab 1800 Vollblüter aus England nach Deutschland importierten, galten sie als die ersten, die sie zum Aufbau
der Deutschen Pferdezucht benutzen.
Ankäufe wurden meistens über die seit 1766 bestehende Firma „Tattersall“ getätigt.
Sie reisten nach England, um sich vor Ort von den Vorzügen des angebotenen Vollblüters zu überzeugen. Durch ihr, über Jahre hinweg angeeignetes Wissen, kamen nur gute Pferde nach Deutschland.
Immer wieder gab es Querulanten, die versuchten, die Vollblutzucht in Deutschland, im Keim zu ersticken. Doch es gelang immer wieder, dieses zu unterbinden.
In Mecklenburg war das Keimbeet der Vollblutzucht. Braunschweig, Sachsen – Anhalt, Rheinland und Schlesien zogen innerhalb kurzer Zeit nach.
1842 wurde das „Erste Allgemeine Deutsche Gestütsbuch“ herausgegeben. Darin waren 242 Personen und 779 Vollblutstuten registriert.
Schon lange, bevor man Fußball oder andere Leibesübungen kannte, fand der erste, offiziell anerkannte Renntag statt, nämlich am 22. August 1822 im
mecklenburgischen Doberan.
Benutzt wurde diese Bahn bis 1945.
1828 wurde in Berlin – Lichterfeld die nächste Rennbahn gegründet und 1830 folgte Berlin – Tempelhof, auf der noch im selben Jahr ein dreitägiges Meeting abgehalten wurde.
Die Lichterfelder Rennbahn bestand allerdings nur kurze Zeit.
Aufgrund der anwachsenden Zahl der Pferde errichtete man 1831 in Schöneberg eine Trainieranstalt, für den der englische Jockey „Benskin“ verpflichtet wurde.
Die Rennbahnen schossen jetzt wie Pilze aus dem Boden.
1832 in Breslau
1834 in Stralsund und Stuttgart
1835 in Hamburg und Königsberg
1836 in Düsseldorf
1837 in Braunschweig
1838 in Aachen
1839 in Münster
1840 in Danzig
1857 in Bremen
1858 in Iffezheim.
In den 60er Jahren folgten dann noch Leipzig, Münchem, Hannover, Halle an der Saale, Mannheim und Frankfurt/Main.
Trotz dieses großen Angebotes an Rennbahnen in Deutschland gingen einige Leute mit ihren Pferden nach England, um sie dort laufen zu lassen.
So auch der Hengst „Turnus“, der später in England als Beschäler agierte und mit „La Mechante“ eine Stute gebar, die wiederum „Uhlan“ auf die Welt brachte.
„Mount Vernon“, deren Vater „Uhlan“ ist, brachte „Grave and Gray“ hervor, die wieder nach Deutschland kam und im Gestüt Waldfried die Stammutter einer berühmten Familie wurde. Dadurch taucht
„Turnus“ in Pedigrees erstklassiger Pferde auf, wie z.B. „Graf Ferry“, „Ganelon“, „Graf Isolani“, „Gundomar“, „Mangon“, „Masetto“ und „Grolle nicht“.
1834 wurde das erste Union – Rennen ausgetragen. Bis 1867 fand dieses Rennen in Berlin – Tempelhof statt, danach in Hoppegarten oder Grunewald und danach ( ab
1945 ) in Köln.
Doch auf dieses Rennen, die Rennvereine, Rennfarben und weiteren Organisatoren gehe ich an anderer Stelle noch genauer ein.
Genaugenommen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts die Deutsche Vollblutzucht gar nicht, weil die meisten Pferde ( Stuten sowie Hengste ) aus England eingeführt
wurden. Inländische Hengste konnten sich nicht behaupten, da sie von den Züchtern nicht für voll genommen wurden.
So sah die Verteilung der Pferde aus In- und Ausland 1912 aus:
- Graditz - 47 Stuten ges. - 24 davon aus England
- Waldfried - 28 Stuten ges. - 18 davon aus England
- Walburg - 16 Stuten ges. - 11 davon aus England
- Schlenderhan - 25 Stuten ges. - 11 davon aus England
Vorallem die Hengste wurden nach Deutschland eingeführt. Unter ihnen waren auch die Engländer „Savernake“ und „Fulmen“, der Franzose „Chamant“ und der Ungar
„Kisber“.
Die deutschen Hengste, denen noch Bedeutung zugemessen wurde, waren „Filibuster“ und sein Sohn „Trachenberg“ ( Derbygewinner 1882 ). „Saphir“ und „Hannibal“ ( Trachenberg – Sohn ) wurden 1900
ebenfalls in die Zucht genommen.
Hannibals Linie entspringen Pferde wie „Fels“, „Sieger“, „Arnfried“ und „Gulliver II“ ( alles Derbysieger ).
1914 wurden jedoch die meisten Stuten noch fremden Hengsten zugeführt. Von 898 belegten Stuten waren 616 bei ausländischen Beschälern gewesen.
Erst im Ersten Weltkrieg, als es unmöglich war, ausländisches Blut einzuführen, griff man notgedrungen auf die deutschen Hengste zurück, wollte man in der Zucht nicht ganz und gar
stehenbleiben.
Diese konsequente und sehr enge Zucht rief die Kritiker auf den Plan, doch die Erfolge auf der Bahn gab der Zucht Recht.
Im Laufe der Jahre wurden viele gute Pferde geboren.
In den ersten Nachkriegsjahren gab es nur vier Zuchten, nämlich Graditz, Schlenderhan, Waldfried und Walburg.
Röttgen, Ebbesloh und Erlenhof folgten.
Durch die Wirtschaftskrise ab 1929 geriet die deutsche Vollblutzucht abermals in Bedrängnis.
Viele Züchter gaben auf, Gestüte verringerten ihren Bestand.
Gab es anfangs auf Graditz noch 50 Stuten, so wurde diese Herde auf weniger als 30 verringert.
Während 1926 noch 661 Fohlen zur Welt kamen, erblickten 1935 nur noch 301 Fohlen das Licht der Welt.
Dotierungen für Flachrennen sanken ( von 6 auf 3 Millionen Mark ), Jährlinge brachten kein Geld mehr ( bis zu 30000 Mark vorher ) und Hengste hatten keine Decktaxen mehr von 4000 Mark, sondern
weniger.
Um weiteres Unheil abzuwenden, tat sich das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft und die Oberste Rennbehörde zusammen und riefen eine Hilfsorganisation ins Leben.
Alle brauchbaren Stuten wurden auf dem deutschen Markt gekauft und an kleinere Züchter durch eine Verlosung weitergegeben. Die Decktaxen wurden, für die Hengsthalter, spürbar gesenkt.
Die Obere Rennbehörde erwarb zahlreiche Sprünge zu begehrten Hengsten und verteilte sie an materiell schlechter gestellte Züchter, denen auch noch die Transport- und zum Teil auch die
Pensionskosten der Stute erlassen wurden.
1934 gab es bereits wieder 499 Stuten, die gedeckt wurden, 1935 waren es schon 580 und ein Jahr später wurden über 650 Stuten registriert.
Die Vollblutzucht erlebte noch einmal eine super Qualität, die Jahre vorher undenkbar gewesen wäre. Wurden doch von den Gestüten nur die schlechten Stuten ausgemustert, mit denen niemand einen
Sprung zu einem begehrten Hengst gewagt hätte.
Nur der Wirtschaftskrise war es zu verdanken, daß Pferde wie „Schwarzgold“, „Magnat“ und „Ticino“ geboren wurden.
Sie übertrafen alles schon dagewesene.
Doch dann kam der Zweite Weltkrieg und damit der nächste Rückschlag in der Zucht.
Die Bestandsaufnahme nach Kriegsende war entmutigend.
Prüfungsanstalten waren nur noch Wüstenei, Gestüte und Rennställe waren verwüstet oder verwaist, die Pferde darin tot oder in alle Himmelsrichtungen verstreut.
Waren 1943 noch 1283 Mutterstuten ins „Allgemeine Deutsche Gestütsbuch“ eingetragen, so waren davon nur noch 454 Pferde übrig.
Nur ca. 250 von ihnen standen noch auf deutschem Boden, so daß an oberster Stelle nun die Vermehrung der Mutterstuten stand.
Noch 1960 lag die Zucht in Deutschland 227 Züchtern und 664 Mutterstuten weit unter dem Stand von 1943.
1975 zählte man schon 744 Züchter mit 1991 Stuten und 1982 waren es 1004 Züchter mit 2297 Mutterstuten.
Erstaunlich ist, daß die überwiegende Zahl der Züchter die waren, die 1 – 3 Stuten besaßen. Mehr als 10 Pferde findet man gerade mal bei 4% der Züchter. Aber auch wenn die Deutschen Vollblüter
den ausländischen Pferden noch unterlegen sind, so kann man doch sagen, daß die Deutsche Vollblutzucht Respekt genießt.
Auf der ganzen Welt gibt es rund 650 000 Vollblüter jeden Alters und Geschlechtes. Die USA ist dabei mit rd. 220 000 Pferden am Stärksten vertreten.
Das sind nur die, die eine Stutenzahl von mindestens 15 hatten.